Bezirk Mittelfranken

Der Dekalog - eine Ethik für den Alltag des 21. Jahrhunderts?

Expertengespräch der Fachgruppe Katholische Religionslehre in Mittelfranken

Studiendirektor Gert Meusel vom Martin-Behaim-Gymnasium in Nürnberg, der Bezirksfachgruppenvorsitzende für Katholische Religionslehre Mittelfranken im Bayerischen Philologenverband, begrüßte zu diesem Expertengespräch die Bezirksvorsitzende Dr. Cornelia Kirchner-Feyerabend und den Landesvorsitzenden für Katholische Religionslehre Oberstudiendirektor Edmund Speiseder.

Im Haus der Stadtkirche in Nürnberg referierte der Politologe und Erwachsenenbildner Bernhard G. Suttner, der Autor des im vergangenen Jahr erschienenen Buches „Die 10 Gebote – eine Ethik für den Alltag im 21. Jahrhundert“. Nach einem Rückblick in seine Lebensgeschichte, die Suttner gibt sich mit den herkömmlichen Interpretationen der Zehn Gebote nicht zufrieden und eröffnet in dem Werk überraschende Perspektiven von provozierender Aktualität. Die 10 Gebote sind für ihn kein Moralkorsett, sondern sie sind als Aufruf zur Befreiung zu verstehen, um auch zukünftigen Generationen ein gerechteres Zusammenleben zu ermöglichen. Die Zehn Gebote der Bibel weisen hier den Weg zu einer Ethik des Lebens im 21. Jahrhundert.

Er ging der Frage nach, ob ein rund 3000 Jahre alter Text dabei helfen kann, die derzeitigen Probleme wie den drohenden Klimakollaps, weltweite Ungerechtigkeit, zerstörerische Ausbeutung aber auch Selbstausbeutung in einer globalisierten Wachstumswirtschaft lösen zu können. Die aktuelle Brisanz der Zehn Gebote wurde dabei thematisiert und diskutiert.

Können die Zehn Gebote in den reichen Industrieländern heute auch noch eine Orientierung geben, den Alltag, der von Arbeitsstress, Materialismus und Konsum geprägt ist, bewältigen zu helfen? Suttner bejaht dies ganz und gar, denn er stellt fest, dass ja gleich im ersten Gebot die Menschen beispielsweise vor dem Götzendienst gewarnt werden. „Ein Götze ist für mich ein vom Menschen selbst gemachtes und verabsolutiertes Sinn-System. Die modernen Götzen heißen heute MATERIELLER KONSUM, STÄNDIGES WACHSTUM, ARBEIT RUND UM DIE UHR und EWIGE JUGEND. Sie verlangen vom heutigen Menschen riesige Opfer“. Dabei werden die Lebenschancen künftiger Generationen riskant in Frage gestellt und dem götzenhaften Zielsystem untergeordnet. Wer sich von diesen Zwängen befreien will, muss über geistige Alternativen zum bloßen Materialismus nachdenken. Darin, so Suttner, könne man auch heute den besonderen Wert der Botschaft der 10 Gebote entdecken und ihnen nachgehen. Suttner gelang es damit aber auch, die aktuelle Brisanz der Zehn Gebote darzustellen. Denn wer nicht mehr ständig auf die Besitztümer des Nachbarn starren muss, wer den selbstbewussten, positiven Blick auf die eigenen Möglichkeiten trainiert, der ist auf einem guten Weg raus aus der Hamstermentalität der „immer-mehr und nie-genug Haltung!“.

Einen besonderen Schwerpunkt sah der Referent wohl auch im Umgang mit dem fünften Gebot, das das Tötungsverbot ausspricht. Es gehe hier nicht vordergründig um Mord und Totschlag, sondern um das Leben selbst. Das Leben in all seiner Fülle und Gesamtheit müsse der Menschen ein Anliegen sein und so stehe im Vordergrund der Einsatz dafür.

Und so wurde auch Suttners grundsätzliches Anliegen in der Deutung klar, zu zeigen, dass zu Beginn des Dekalogs im Prolog daran erinnert werde, dass Gott aus dem Sklavenhaus befreit hat und das Zehnwort als keine Einengung zu verstehen sei, sondern das Leben erst ermögliche.

Den Teilnehmern des Expertengesprächs Katholische Religionslehre waren diese Ansätze der Interpretation des Dekalogs ein Beleg dafür, dass die Deutung und Aktualisierung für den Schulalltag erneut und noch bewusster umzusetzen sei, um letztlich die befreiende Wirkung noch deutlicher herauszuheben, die das Gotteswort hier auslösen kann, und es den Jugendlichen zu erschließen.

on links nach rechts:

Bezirksvorsitzender StD Gert Meusel, Referent Bernhard G. Suttner, BPV-Bezirksvorsitzende Mittelfranken Dr. Cornelia Kirchner-Feyerabend und Landesvorsitzender OStD Edmund Speiseder